Zeugnis Mühlhäuser Tischlerkunst

Der Restaurator und Tischler Gerhard Riedel (links) übergab am Mittwoch die Kommode an Mühlhausens Museumschef Thomas T. Müller.
(Foto: Reiner Schmalzl)

Reiner Schmalzl / 26.03.15 / Thüringer Allgemeine

165 Jahre alte Kommode aus dem Spät-Biedermeier bereichert die stadtgeschichtliche Ausstellung im Kulturhistorischen Museum

Mühlhausen. Dass sich historische Möbel genau datieren lassen, ist äußerst selten. So wollte der Mühlhäuser Tischler und Restaurator Gerhard Riedel vor einiger Zeit seinen Augen kaum trauen, als er unter der Tischplatte einer zu restaurierenden Kommode einen exakten Verweis auf den einstigen Hersteller sowie Auftraggeber jenes Möbelstücks entdeckte.

„Diese Kommode wurde im Jahre 1860 gefertigt. Den 11ten Februar von Christian Hirser aus Ammern. Beim Tischler-Meister Ackermann in Mühlhausen in St. Margarethen“, war in zarten Zeilen eingraviert. Da gleich in Riedels Nachbarschaft mit Museumschef Thomas T. Müller ein Historiker wohnt, ließen sich binnen kurzer Zeit verschiedene Geheimnisse lüften. Doch nicht nur das, denn der Freundeskreis Mühlhäuser Museen bekundetet umgehend sein Interesse für das exzellente Zeugnis Mühlhäuser Handwerkskunst und Handwerksgeschichte und erwarb es.

Altes Adressbuch verrät allerhand zum Hersteller

Nach liebevoller Aufarbeitung in der Werkstatt des Restaurators und Sachverständigen für Antiquitäten in der Mühlhäuser Holzstraße, trat die mit Wurzel-Esche furnierte 165 Jahre alte Kommode nun am Mittwoch ihre Reise in das neue Kulturhistorische Museum am Lindenbühl an. Dort soll die dem Spät-Biedermeier zuzuordnende Kommode ihren Platz innerhalb der stadtgeschichtlichen Ausstellung finden, betonte Museumschef Thomas T. Müller. Die Kommode hat im Übrigen drei tiefe Schubladen, wobei die obere noch mehrere kleinere Schubladen im Stil eines Schreibsekretärs beherbergt.

Hergestellt wurde das Stück von Tischlermeister Johann Christian Ackermann, der in St. Margarethen Nr. 10 wohnte und dort auch seine Werkstätte hatte. Der Handwerksmeister wurde am 15. Februar 1804 geboren und starb am 10. Juli 1878.

Mit seiner Frau Johanna musste er zumindest einen Sohn gehabt haben. Aus dem Adressbuch der Stadt Mühlhausen von 1869 geht nämlich auch ein Wilhelm Ackermann hervor, der als „Ackermann Junior“ die Tischlerwerkstatt mit geführt hatte.


Seit 20 Jahren Kulturgut-Retter

Gerhard und Astrid Riedel aus Mühlhausen erkannten in einem alten Türblatt einen kleinen Schatz. Ein neuer Schauraum im historischen Wohnhaus ist das eigene Geschenk zum Jubiläum

Von Iris Henning

Mühlhausen. Uralte Stühle, Sessel, Schränke und Tische füllen das Zimmer. Alle sind auf Hochglanz poliert. Mit Messer und Gabel aus Omas sonst weggeschlossenem Besteckkasten und dem guten Geschirr ist der Tisch eingedeckt. Doch Platz nehmen ist nicht erwünscht. Ebenso wird es ungern gesehen, wenn Messer, Gabel, Tassen und Teller unnötigerweise berührt werden. Das Zimmer ist die Schatzkammer von Gerhard und Astrid Riedel. Die Gegenstände darin gerettetes Kulturgut aus dem Leben der Vorfahren.

Seit 20 Jahren ist der handwerklich geschickte Gerhard Riedel Kulturgut-Retter und inzwischen ein gefragter Sachverständiger für Antiquitäten. 1992 eröffnete er mit seiner Frau Astrid sein kleines Unternehmen „Antiquitäten am Rabenturm“ in der Holzstraße 6.

Wie viele Möbelstücke er vor der restlosen Verwahrlosung gerettet hat, weiß er nicht mehr zu sagen. „Ich habe sie nicht gezählt. Ich denke, in den 20 Jahren waren es doch schon ganz schön viele“, erzählt er. „Biedermeier, Klassizismus, Gründerzeit, Jugendstil bis in die 1920er Jahre – da war alles dabei“. Unansehnlich und zum Teil bis zur Unkenntlichkeit beschädigt kommen die Stücke mitunter in seine Werkstatt. Unzählige Stunden Kleinarbeit investiert er, bis aus den Unansehnlichen wieder begehrte Schmuckstücke geworden sind.

Gegenwärtig arbeitet Gerhard Riedel an etwa wirklich Unansehnlichem und beinahe Unscheinbarem – an einem Türblatt. So, wie das anfangs ausgesehen hat, will das bestimmt niemand haben. Das Türblatt wurde vermutlich über zig Generationen hinweg wieder und wieder mit Farbe bestrichen. Mal grau, mal braun, mal undefinierbar. Einige Millimeter dick ist die blätternde Schicht, die längst aussieht wie vertrockneter Prasselkuchen. Doch darunter verbirgt sich eine Rarität, wie ein bereits freigemachtes Fenster verrät: ein barockes Gemälde. Die Tür stammt aus einem alten Mühlhäuser Haus. Gerhard Riedel vermutete unter dem Prasselkuchen ganz richtig etwas Besonderes. „Da habe ich aber noch Wochen zu tun, bis ich das ganze Bild freigelegt habe“, sieht er noch viel Arbeit vor sich.

Im Gegensatz zu den Möbeln wird er diese Schmuckstück-Tür nicht verkaufen. „Die bleibt bei uns“, freut sich auch Astrid Riedel.

Viele in der Riedel-Werkstatt sanierten antiken Stühle, Sessel, Schränke und Co. sind dagegen längst beliebte Wohn-Schmuckstücke in vielen guten Stuben im ganzen Land geworden. Die Nachfrage nach etwas Altem, Langlebigem und Schönem sehen die Riedels als unverändert. “Allein ein antiker Schrank kann der ganzen Wohnung eine besonders charmante und individuelle Ausstrahlung geben“, weiß vor allem Astrid Riedel. Darum freut sie sich schon auf den neuen Ausstellungsraum in der ersten Etage ihres ebenfalls historischen Hauses aus dem 17. Jahrhundert, das auf einem Keller aus dem 12. Jahrhundert errichtet wurde. Der neue Raum ist Riedels selbst bereitetes Geschenk anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens. Auch der wird bald gut gefüllt sein mit uralten Stühlen, Sessel, Schränken und Tischen und ein Gefühl von vertrauter Behaglichkeit aus der Zeit der Großeltern und Urgroßeltern vermitteln.